Smart Spaces

Gebäude im Spiegel

Author: Armin Anders, Vice President Business Development, EnOcean
Issue 02-2018: read all articles online read as pdf

In der Fertigung ist er bereits ein gesetzter Begriff: der digitale Zwilling. Dahinter steht das virtuelle Abbild einer Maschine über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Das Ziel ist eine deutlich effizientere, flexiblere und individualisierte Produktion. Auch im Gebäude schreitet die Digitalisierung rasch voran. Das Internet der Dinge (IoT) ermöglicht einen digitalen Gebäude-Zwilling, der den genauen Nutzungsbedarf virtuell abbildet. Das führt zu automatisierten Dienstleistungsprozessen im Facility Management, höheren Energieeinsparungen und zu mehr individuellem Wohlbefinden der Nutzer. Dabei reichen die Lösungen von einer Smart Home-Grundausstattung über unterstütztes Wohnen im Alter bis hin zu komplex vernetzten Gewerken im Bürogebäude. Eines ist für alle unerlässlich: batterielose Funksensoren.  

Laut der Studie „Unternehmenstrends 2020“ des GdW* stehen Mieter künftig im direkten digitalen Austausch mit Wohnungsunternehmen. Durch digital erfasste Gebäudedaten können Betreiber die technischen Anlagen in Echtzeit überwachen und entsprechend schnell nötige Arbeiten umsetzen. Gleichzeitig können sie den Mietern Services anbieten, mit denen sie Kosten einsparen, beispielsweise beim Energieverbrauch. Hinzu kommen intelligente Systeme, die den individuellen Komfort in den Wohnungen verbessern.

Vom Aufzug in die Wohnung

Sowohl bei Sanierungsprojekten als auch im Neubau schaffen immer mehr Unternehmen der Wohnungswirtschaft bereits heute die Basis für digitale Funktionen in ihren Gebäuden. Da jede Automatisierung über digitalen Datenaustausch läuft, steht am Anfang etwas scheinbar Banales: der Internetanschluss – und zwar nicht nur in den Wohnungen, sondern auch in den allgemein genutzten Bereichen. Mit diesem Schritt fängt die Automatisierung zunächst außerhalb der Wohnungen an, beispielsweise mithilfe von Funksensoren, die nötige Wartungs- und Reparaturarbeiten an den Aufzügen, der Heizungs- und Klimaanlage oder anderen technischen Anlagen melden. Auch digitale Türzugänge oder Klingeldisplays sind möglich. Die Sensordaten überträgt ein IoT-Gateway via Internet an das System des Dienstleisters. Dieser kann das Gebäude dadurch deutlich serviceorientierter, effizienter und energiesparender betreiben.

Bei Smart Home-Angeboten in den Wohnungen steht vor allem die Nutzerakzeptanz im Vordergrund. Zwar ist heutzutage technisch im Smart Home sehr viel möglich. Der Bewohner soll sich jedoch nicht von der Technik bevormundet fühlen, sondern Funktionen versteckt vorfinden beziehungsweise zusätzlich bewusst auswählen können, die seinem individuellen Bedarf entsprechen. Mit einer Basisausstattung lassen sich die technischen Voraussetzungen für eine intelligente Steuerung schaffen. Dazu zählt neben dem Internetanschluss vor allem die Jalousiesteuerung. Damit kann der Mieter alle Rollläden in der Wohnung mit einem Tastendruck hoch- und runterfahren. Gleichzeitig melden Fensterkontakte, ob ein Fenster offen ist. Eine weitere Anwendung ist ein zentraler Alles-ein/Alles-aus-Taster, mit dem sich elektronische Geräte, Licht etc. beim Verlassen der Wohnung aus- beziehungsweise bei der Rückkehr wieder einschalten lassen.

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 Smart Home zur Auswahl

Damit ist bereits eine grundlegende Vernetzung vorhanden, die als Basis für weitere Smart Home-Funktionen dienen kann. Der Wohnungsbetreiber kann hierbei seinen Mietern verschiedene Optionen wie eine Heizungssteuerung oder auch Multimedia via Sprachsteuerung vorschlagen. Über Testinstallationen kann er zudem die technische Ausstattung und verfügbare Systeme demonstrieren. Dadurch muss sich der Nutzer nicht selbst mit den verschiedenen Smart Home-Angeboten auf dem Markt auseinandersetzen. Für die Wohnungswirtschaft ist es außerdem ein wichtiger Service, der ihre Objekte attraktiver und wertiger für den Mieter macht.

Gleichzeitig können Unternehmen durch smarte Technik ganz neue, automatisierte Dienstleistungen anbieten, zum Beispiel in Form einer Energieflatrate oder der Abrechnung nach Raumtemperaturniveau pro Quadratmeter beheizter Fläche**. Denkbar ist auch eine Art Contracting-Modell. Hierbei stellt der Dienstleister die gewünschte Smart Home-Infrastruktur in unterschiedlichen Paketen bereit und refinanziert die Investition beispielsweise über die erzielten Energieeinsparungen. Der Bewohner profitiert von mehr Sicherheit und Komfort. Der Vermieter erhält ein nachhaltiges Gebäude ohne Mehrkosten.

Unsichtbare Helfer im Alltag

Sicherheit und Komfort sind besonders bei Angeboten für das unterstützte Wohnen im Alter (Ambient Assisted Living) wichtig. Bei dieser Form der Digitalisierung im Gebäude muss die Grundausstattung bereits wichtige Funktionen umfassen. Dazu gehören Bewegungssensoren in Räumen und Matratzen sowie Sturz- und Präsenzmelder oder flexibel positionierbare Notruf- und Bedienknöpfe. Die Sensoren liefern die notwendigen Informationen und werden so zu unabdingbaren Helfern im Alltag für ältere Menschen. Gleichzeitig lassen sich optional Vitaldaten oder Sensoren einbinden, die Wohlbefinden und Aktivität erfassen. Diese erhöhen die Unabhängigkeit der Bewohner deutlich, da sie nur im konkreten Bedarfsfall unterstützen. Betreiber von seniorengerechten Wohnungen können die verschiedenen Smart Home-Funktionalitäten als Teil eines Servicepakets in die Miete mit einbinden.

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Räume im Blick

Die häufigsten Anwendungen eines digitalen Gebäude-Zwillings gibt es derzeit in Bürokomplexen. Die Digitalisierung mithilfe von verteilten Sensoren und einer Cloud-basierten Infrastruktur erlaubt Facility Managern, neue Dienstleistungen zu entwickeln und zu automatisieren. Dazu gehört zum Beispiel das Raumnutzungsmanagement. Präsenzsensoren können jederzeit erfassen, wie viele Personen wie oft einen Besprechungsraum nutzen oder wann die Kantine besonders voll ist. Anhand der Nutzungsdaten lassen sich die Raumbelegung und damit der Einsatz kostenintensiver Ressourcen wie Heizung, Klima oder Licht ebenso wie Personal und Inventar optimieren.

Mithilfe von Sensordaten über Präsenzmelder, Türkontakte, Aktivitätsmesser bei elektronischen Geräten etc. lassen sich detaillierte Nutzungsmuster des Gebäudes, des Personals und des Inventars erstellen. Diese Muster liefern Echtzeitinformationen über den tatsächlichen Bedarf und ermöglichen entsprechende Maßnahmen für effizientere, energiesparende und situationsabhängige Services. Ein weiteres Beispiel dafür ist die nutzungsabhängige Wartung und Reinigung von sanitären Anlagen in Bürogebäuden. Dabei liefern Sensoren die nötigen Daten, wie häufig die Toiletten benutzt werden oder ob der Vorrat in den Toilettenpapier-, Handtuch- und Seifenspendern zur Neige geht. Facility Manager können dadurch ihr Personal anhand des aktuellen Bedarfs organisieren und benötigtes Material immer rechtzeitig nachführen. Das bringt nicht nur deutlich niedrigere Kosten, sondern auch eine gesteigerte Nutzerzufriedenheit.

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Umgebung zum Wohlfühlen

Mehr Nutzerzufriedenheit schafft auch eine hohe Attraktivität für Firmen als Mieter einer Bürofläche. Eine Wohlfühlatmosphäre am Arbeitsplatz verbessert nachweislich die Produktivität und fördert die Mitarbeiterbindung. Integrierte Sensoren in Büromöbeln erlauben es, die Einrichtung bedarfsgerecht, bunt und individuell zu gestalten und gleichzeitig mit beispielsweise modernsten Multimedia sowie intelligenter Licht- und Heizungssteuerung auszustatten. Durch die versteckten Sensoren nimmt der Mitarbeiter nicht die IoT-Technik wahr, sondern vor allem den Wohlfühlfaktor.

EnOcean Gebäude im SpiegelDie Liste der optimierten Prozesse in einem digitalisierten Gebäude lässt sich beliebig fortsetzen. Beispielsweise mit Sensoren, die frühzeitig bei Wasserrohrbruch, Feuer oder Einbruch Alarm schlagen und so Versicherungsschäden in Millionenhöhe verhindern.

Flexibler Funk

Über 90% der Gebäude sind allerdings Bestandsimmobilien. Für die Nachrüstung einer umfassenden digitalen Infrastruktur kommen deshalb vor allem drahtlose Lösungen infrage. Nur dadurch stehen Aufwand und Nutzen im richtigen Verhältnis. Die technische Grundlage sind immer Funksensoren, die die benötigten Daten von zahlreichen Punkten im Gebäude liefern. Hier ist vor allem der EnOcean-Funkstandard als Kommunikationsprotokoll etabliert. Er kommt bereits in mehr als 500.000 Gebäuden weltweit zum Einsatz. Dank Mesh-Technologie lassen sich aber auch Bluetooth® oder Zigbee für spezifische Anwendungen nutzen. Ein IoT-Gateway vernetzt die Sensoren und Aktoren über das Internet mit Cloud-basierten Plattformen wie IBM Watson, Amazon Echo, Microsoft Azure, Apple HomeKit, Google Home oder Crestron.

IoT ohne Batterie

Dieses Internet der Dinge mit Tausenden Datenpunkten in einem Gebäude lässt sich nur mit batterielosen Funksensoren verwirklichen. Sie sind frei und flexibel platzierbar sowie jederzeit erweiterbar – und vor allem wartungsfrei. Batterien haben im IoT als Energiequelle für Sensoren ausgedient. Ein Rechenbeispiel verdeutlicht das: Funkbasierte Heizkörperstellventile arbeiten mit zwei Batterien, die eine Laufzeit von etwa einem Jahr haben. Bei einem Bürokomplex mit 10.000 installierten Funkkomponenten müsste das Facility Management jeden Tag circa 30 Batterien wechseln. Frühausfälle sorgen zudem dafür, dass die Wartungsarbeiten bereits kurz nach der Installation anfallen. Sobald innerhalb der Laufzeit die ersten Batterien ausfallen, wird der Gebäudebetreiber vorsorglich alle Batterien austauschen. Ein nicht kalkulierbarer Personalaufwand und entsprechend hohe Kosten, die bei batterielosen Funkkomponenten nicht entstehen.

Gleichzeitig ist es eine ökologische Verantwortung. Berge von giftigem Batteriemüll sollten nicht der Preis für mehr Energieeffizienz und Wohlbefinden in unseren Gebäuden sein.

* GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V.: „GdW Branchenbericht 5 – Unternehmenstrends 2020“

** MPW Consulting: „MPW-Studie: EDL in der Wohnungswirtschaft“, 2017

www.enocean.de